Donnerstag, 4. März 2010

weil die Wintour das so will...

Kaum beginnt die Mailänder Modewoche, schon gibt es einen Skandal: Die Camera nazionale della moda italiana soll die Modewoche von sieben auf drei Tage kürzen, da Madame Wintour nur das Wochenende in Milano verbringen wird. Jeder französische Modeschöpfer würde sich französisch-arrogant umdrehen und seine Show ohne die Amerikanerin stattfinden lassen. Aber die Italiener, mit Ausnahme von Giorgio Armani und Mario Boselli, gehen vor Anna auf die Knie. „Wir hatten einen guten Kalender vorbereitet, der sieben Tage dauerte und der jetzt wegen Wintour halbiert wurde“, beschwert sich Mario Boselli, Chef der Modekammer in Mailand.
„Man muss basta sagen“, meint Armani, „wir können nicht 45 Modeschauen von Freitag bis Sonntag konzentrieren, nur weil Anna Wintour das genehm wäre.“ Ähnlich sieht es Diego della Valle, Gründer und Chef des Edelschuh-Herstellers Tod’s: „Alle werden nur die bekanntesten und wichtigsten Unternehmen anschauen, ohne die Zeit zu haben, die Unternehmen zu verfolgen, die die großartige italienische Qualität produzieren, die aber kleiner sind und die wahre produktive Basis des ,made in Italy’ repräsentieren“, kritisiert Della Valle in einem offenen Brief an die Wirtschaftszeitung „Il Sole 24 Ore“.
Also pressen die wichtigsten Modehäuser ihre Schauen in zwei Tage. Bravo. In Milano heißt das Stress pur. Die Schauen fangen auch im Normalzustand fast nie pünktlich an. Angeblich haben Labels, die Anna nicht sieht, einen Nachteil auf dem Markt. Vielleicht auf dem Amerikanischen. Welch Macht die Wintour hat, weiß man spätestens seit „Der Teufel trägt Prada“. Keine Modenschau ohne sie. Designer warten sogar extra mit dem Beginn ihrer Show auf die Wintour. Nichts geht ohne Anna. Backstage, frontstage, aftershow, einfach überall ist Anna. Designer laden sie sogar zu previews in ihre Ateliers ein, um eine erste Meinung über die Kollektion einzuholen.
Warum ist die Chefredakteurin der Amerikanischen Vogue so einflussreich? Zum einen weil sie seit 1988 Chefredakteurin der internationalen Modebibel Vogue ist. Zum Anderen, weil sie eine der Besten in ihrem Fach ist. Und sie hat eins, was möchtegern Experten und andere Chefredakteurinnen nicht haben: Understatement, Wissen und erstklassige Kontakte. Und sie hat den Türöffner Vogue hinter sich.
1892 erschien ein Amerika die erste Vogue, zunächst als Wochenmagazin für News aus der Mode- und Gesellschaftsszene. 1909 übernahm Condé Nast nach mehrjährigen Bemühungen die Vogue, die schon als in der Modewelt etabliertes Magazin galt, das 14tägig für 15 Cent erschien.
Chefredakteurinnen der Vogue waren von Anfang an Frauen. Seit 1988 ist Anna Wintour die Leiterin der amerikanischen Vogue. In Deutschland erschien die Vogue zum ersten Mal 1929 in Berlin, wurde aber aufgrund der Weltwirtschaftskrise nach einem halben Jahr wieder eingestellt. Nachdem der Condé Nast Verlag Deutschland 1978 in München gegründet wurde, erschien 1979 die deutsche Vogue als erste Publikation. Heute ist die VOGUE das führende Modemagazin der Welt und erscheint in insgesamt 17 Länder.
Vogue steht für Stil, Mode und Kunst auf höchstem Niveau. Die Besten der Branche arbeiten für und um das Magazin. Wer es schafft in der Vogue zu sein, gilt als in der high fashion angekommen.
Als Chefredakteurin solch einer bedeutenden Zeitschrift ist Macht vorprogrammiert. Doch liegt es auch in der Natur Anna Wintours, eine herausragende Persönlichkeit im Bezug auf Mode zu sein. Sie ist imstande Dinge zu sehen und zu erahnen. Trends erspüren und Modeschöpfer, Models und Fotografen entdecken. Dieses Können kann man nicht erlernen. Man hat es oder eben nicht. Es ist kein Zufall, dass Anna Wintour in der Verlagsbranche Karriere machte. Als Tochter des „Evening Standard“- Chefredakteurs Charles Wintour ist Anna in London aufgewachsen. 1970 begann sie ihre Karriere als Praktikantin bei „Harpers & Queens“ und 1983 bekam sie ihren ersten Job bei der amerikanischen Vogue. Als Anna 1986 die Britische Vogue so erfolgreich wie noch nie leitete, wurde sie nach New York geholt und 1988 zur Chefredakteurin gemacht. Anna Wintour setzte schnell ihr Konzept von einer neuen und modernen Vogue um, das die Modewelt enorm beeinflusste. Vogue sollte ein Magazin sein, dass von Glamour und Luxus in seiner reinsten Form handelt und dennoch eine Auflage von 1,3 Millionen Exemplaren erreicht. Anna Wintour begann high und low fashion zu mischen und amerikanische Schauspieler und Prominente auf das Cover zu holen. Der Mix aus Luxusmode und für die Masse erschwingliche „gewöhnliche“ Mode war damals ein Skandal. Heute erscheint dieser Trend als normal. Die Vogue erlangte aber dadurch ein großes Ansehen und Wintour konnte jeden Fotografen, Designer und nahezu alle Models gewinnen. Auch wenn sie als kaltherzig, machtbesessen und eiskalt bezeichnet wird, wäre sie ohne ihr Können nicht seit 22 Jahren an der Spitze der Modebranche. Chapeau für so viel Liebe zur Arbeit.
Text: Karolina Dudik

1 Kommentar:

Franzi hat gesagt…

Sehr schön geschrieben, der Schreibstil gefällt mir und Anna Wintour hat so viel Klasse und Ehrgeiz, Witz und Charme, wie du sagst, sie ist nicht umsonst seit 22 Jahren Chefredakteurin, großartig!